Pusht die neue 5-Prozent-Quote Investitionen in Infrastruktur?
Das Bundesfinanzministerium führte am 7. Februar dieses Jahres eine neue Infrastrukturquote für Investments ein. Die Infrastrukturquote ist eine neue Mischungsquote innerhalb der Anlageverordnung (AnlV). Sie erlaubt es Pensionskassen, Versorgungswerken und kleinen Versicherungsunternehmen, bis zu 5 Prozent ihres Sicherungsvermögens in Infrastrukturprojekte zu investieren, ohne dass diese Investitionen auf andere Anlagequoten angerechnet werden. Davon erhofft sich die Bundesregierung, dass künftig mehr privates Kapital in gesellschaftlich relevante Projekte fließen wird.
Die Änderung der Anlageverordnung (AnlV) ermöglicht es institutionellen Investoren, bis zu 5 Prozent ihres Sicherungsvermögens gezielt in Infrastrukturprojekte zu investieren. Diese Quote gilt sowohl für direkte wie für indirekte Investitionen in Infrastrukturprojekte und -unternehmen. Investments, die unter diese Quote fallen, werden nicht auf vorhandene Mischquoten angerechnet, wie zum Bei spiel auf Beteiligungs- oder Risikokapitalquoten.
Dies schafft zusätzlichen Spielraum für Investitionen in andere Anlageklassen. Laut Schätzungen könnte in Deutschland damit allein bei Pensionskassen ein zusätzliches Anlagekapital von 20 bis 40 Milliarden Euro freigesetzt und in diese zukunftsweisenden Branchen investiert werden.
Definitionen
Der Begriff Infrastruktur umfasst alle dem Gemeinwohl dienenden Einrichtungen, Bauwerke und Dienstleistungen, die die wirtschaftliche und soziale Grundversorgung sicherstellen. Gemäß § 1 Abs. 19 Nr. 23a Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) zählen hierzu:
Energieinfrastruktur: Stromnetze und -versorger sowie Technik und Bauten wie Stromleitungen, Transformatoren, Speicher et cetera. Ferner zählen dazu Anlagen zur Erzeugung und Speicherung erneuerbarer Energien (Solar, Wind, Biomasse, Geothermie, Wasserkraft) und Batteriespeicher als Standalone- oder Co-Location-Lösung.
Verkehrsinfrastruktur: Straßen, Brücken, Bahnlinien, Flughäfen, Häfen sowie öffentlicher Nahverkehr wie Busse und U-Bahn-Systeme, Fahrrad- und Fußgängerinfrastruktur.
Wasser- und Abwasserinfrastruktur: Systeme und Technik zur Trinkwasserversorgung (Aufbereitungs- und Kläranlagen, Wasserleitungen, Pumpstationen), effizientes Regenwassermanagement.
Kommunikationsinfrastruktur: Breitband- und Glasfasernetze für flächendeckendes und leistungsstarkes Internet sowie für Mobilfunk und Kommunikationssatelliten.
Soziale Infrastruktur: öffentliche Gebäude wie Schulen, Krankenhäuser, Verwaltungsbauten, Kindergärten, Pflegeheime. Darüber hinaus Sportstätten und weitere Freizeiteinrichtungen.
Digitale Infrastruktur: Rechenzentren und Server, Cloud-Computingsysteme, aber auch IT-Netzwerke für digitale Services.
Abfallwirtschaft: Recycling- und Ab fallentsorgungsanlagen, Deponien.
Grüne und nachhaltige Infrastruktur: Grüne Infrastruktur wie Parks, Grünflächen, öffentliche Gärten, umweltfreundliche Mobilitätslösungen wie Ladeinfrastruktur für Elektromobilität und energieeffiziente Gebäude.
Die Aufführung zeigt, wie umfassend die Investmentmöglichkeiten sind. Außerdem ist in diesem Bereich viel im Fluss: Die Transformation hin zu fossilfreien Energieträgern, allen voran Solarenergie, benötigt neue Technik: Um etwa die Schwankungen zwischen Energiegewinnung und den Verbrauchspitzen zu managen, sind leistungsstarke Batteriespeicher nötig. Gleichzeitig müssen Kapazitäten für den weltweit ansteigenden Stromverbrauch geschaffen werden, sodass zu jeder Zeit die Versorgung sichergestellt ist. Wie fragil Stromnetze sein können, zeigte der stundenlange Stromausfall am 28. April 2025 in Spanien und Portugal.
Der Bundestag stimmte bekanntlich am 18. März 2025 einer Lockerung der Schuldenbremse zu. Damit verbunden ist ein 500 Milliarden Euro großes Sondervermögen für Investitionen. Neben der Bundeswehr sollen viele Mittel in die Verbesserung der Infrastruktur fließen. Das könnte einen Investitionsschub auslösen und dem Infrastrukturausbau zusätzlichen Auftrieb geben. Es kann also sein, dass in den kommenden Monaten und Jahren weitere innovative Infrastrukturfirmen und -projekte hinzukommen, die in dieses Investment-Cluster fallen und Kapital suchen.
Vielzahl an Investmentmöglichkeiten
Aber schon heute erlaubt die Breite des Infrastrukturbegriffs eine Vielzahl an unterschiedlichen Investmentmöglichkeiten, sei es in Energieversorgung, Verkehr oder digitale Netze. Sie haben einen gemeinsamen Nenner: Sie bieten langfristige, stabile Erträge und sind weitgehend unabhängig von Konjunkturzyklen. Weitere Vorzüge sind: Durch Investitionen in Infrastruktur lassen sich andere Quoten, wie die Risiko- oder Immobilienquote, entlasten; der Asset-Mix wird ausgewogener.
Während der zurückliegenden Niedrigzinsphase investierten viele Anleger in Immobilien. Seinerzeit war eine hohe Immobilienquote angeraten, weil Gebäude nahezu aller Nutzungsarten starke Wertsteigerungen verbuchten. Der Boom von Immobilieninvestments trug aber teilweise auch dazu bei, dass diese Assets innerhalb des Portfolios überrepräsentiert sind.
Das hatte zur Folge, dass die Quoten für andere alternative Investments ausgeschöpft waren. Wenn beispielsweise eine Pensionskasse bereits 30 Prozent Immobilien hält, in Form direkter oder indirekter Investments, war sie bislang deutlich eingeschränkt und konnte nicht zusätzlich in Private Equity, Infrastruktur oder Hedgefonds investieren, weil diese teil- weise auf dieselbe Quote angerechnet wurden. Die neue Infrastrukturquote schafft Entlastung, da Investoren nun unabhängig von anderen Quoten Investitionen in Infrastrukturprojekte allokieren können.
Profitieren werden künftig vermutlich alle ESG-konformen Assets, vor allem Produkte der SFDR-Artikel 8 und 9 („hellgrüne“ und „dunkelgrüne“ Fonds). SFDR steht für die „Sustainable Finance Disclosure Regulation“, festgelegt in der EU-Verordnung 2019/2088. Diese Regulatorik bildet die Grundlage für grüne Fonds und soll mehr Kapitalflüsse in nachhaltige Anlagen lenken.
Diese größere Flexibilität wird zu einer wachsenden Diversität vieler Portfolios und in der Summe zu einer Ausweitung ESG-konformer Assets führen. Ferner er- halten Anleger mehr Flexibilität in der Kombination von Eigenkapital und Fremdkapitalstrukturen, auch über Investmentfonds.
Umwidmen vorhandener Immobilien-Assets
Aufgrund der neuen Freiheiten können Anleger ferner prüfen, ob sich bestehende Immobilien in Infrastruktur-Assets umwidmen lassen. Das können öffentliche Gebäude sein wie Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude oder Schulen. Ferner können darunter soziale Einrichtungen wie Kitas oder Seniorenheime fallen. Auch für Rechenzentren als wichtige Bausteine digitaler Infrastruktur könnte eine Umwidmung in Frage kommen. Dabei gilt: Mit einer solchen Transformation werden wiederum freie Quoten für neue Immobilieninvestments geschaffen.
Grundsätzlich sollten Investoren bei Infrastruktur-Assets darauf achten, in realwirtschaftliche Infrastruktur zu investieren, gemäß der oben aufgeführten Definition. Ferner sollten sie damit einen langfristigen Anlagehorizont verfolgen und ihr Investment transparent strukturieren. Dabei ist zu Produkten zu raten, welche die genannte EU-Regulatorik für nachhaltige Fonds erfüllen.
Die Einführung einer eigenständigen Infrastrukturquote ist ein bedeutender Schritt, um mehr Investitionen in wichtige Zukunftsmärkte zu ermöglichen. Blockieren in Portfolios Immobilieninvestments die Quoten anderer Assetklassen, kann die Infrastrukturquote als Vehikel dienen, den Immobilienanteil zu entlasten und das Portfolio somit weiter zu diversifizieren. Insbesondere vor dem Hintergrund von Dekarbonisierung, Digitalisierung und demografischen Herausforderungen ist die Bereitstellung neuer Finanzierungsquellen für Zukunftsprojekte zentral.
Dieser Text erschien im Original zunächst in der Fachzeitschrift "Immobilien & Finanzierung – Der langfristige Kredit" 6/2025